Warum Schuhe nicht alle Probleme lösen.

Dr. Matthias Marquardt - Blog - Fettstoffwechsel

TRAINING

Warum Schuhe nicht alle Probleme lösen.

Warum verursachen Läufer in der Sprechstunde manches Arztes eigentlich mitunter Kopfschütteln? Sympathisch sind die Dauerläufer doch: Sie bewegen sich viel, sind schlanker als der Rest und stets um ihre Gesundheit bemüht. Und wenn man ihnen sagt, dass Quarkwickel und Ackerschachtelhalm helfen, dann ...



sitzen sie am nächsten Morgen mit Quarkwickel und Ackerschachtelhalm-Tee in der Abteilungsleiterbesprechung.

 

Eigentlich sind Läufer ideale Patienten. Läufer können aber auch Verzweiflung hervorrufen. „Und dann kommen die mit zwei Koffern voller Schuhe in meine Praxis“ sagte mir einmal ein entsetzter Kollege, über Läufer in seiner Sprechstunde. „Und an dem Knie war nichts zu finden. Der war gesund! Ist ja auch kein Wunder, dass das Knie wehtut, wenn der 100 Kilometer pro Woche rennt.“ Und der Läufer andererseits: „Und dann hat dieser Typ gesagt ich hab‘ nix. Ich soll einfach weniger laufen. Dabei ist in sechs Wochen Marathon. Ich mach‘ jetzt Ackerschachtelhalm. Hab‘ ich im Internet gelesen.“

 

Dabei ist das große Missverständnis recht einfach zu erklären. Viele Ärzte sind in erster Linie dafür ausgebildet, strukturelle Veränderungen zu behandeln. Strukturell heißt: Knorpel defekt, Sehne gerissen oder Knochen gebrochen. Um solche Erkrankungen zu diagnostizieren, helfen Röntgenaufnahmen und übliche Untersuchungen.

 

Beschwerden, wo nix kaputt ist, nennt man funktionell. Wenn beispielsweise jemand den ganzen Tag im Büro hockt und sein Nacken verspannt ist. Läufer haben oft funktionelle Probleme, die durch zu viel und nicht durch zu wenig Bewegung entstehen. Und wenn der Laufarzt dann sagen soll, mit welchem Schuh man jetzt schmerzfrei laufen kann, obwohl er selbst schon 20 Paar aller Marken vergeblich getestet hat, wird es kniffelig!

 

Ich würde sagen, dass nur etwa zehn Prozent der Läuferprobleme über Schuh- und Einlage alleine zu lösen sind. Meist ist der Schuh nur ein kleiner Teil der Lösung. Viel öfter geht es um Lauftechnik, Beweglichkeit und Stabilität. Und um das zu verstehen, muss man alles Mögliche machen: Schuhe und Einlagen inspizieren, Bewegungsanalyse auf dem Laufband, Technikanalyse auf normalem Untergrund, Muskelfunktionstests. Und kommt doch nicht immer zum Ziel.

 

Mehr als die Hälfte der Laufverletzungen sind ein Trainingsproblem. Da hilft auch der beste Schuh nichts. Aber auch das erkennt man eben nicht in einer Zehn-Minuten-Sprechstunde, sondern nur in intensiven Gesprächen über das Training und die Wettkämpfe. Da kommt dann gerne mal raus, dass da jemand im zweiten Trainingsjahr nach dem Berlin-Marathon im September noch schnell den in Frankfurt im Oktober laufen wollte.

 

Und nun tut die Achillessehne weh. Klingt unspektakulär? Weiß Gott nicht. Oft ist das der Grund: Zu schnell, zu viel, zu doll! Den perfekten Schuh suche ich natürlich trotzdem, denn möglicherweise ermöglicht er ein höheres Pensum ohne Verletzungen. Und er motiviert! Und Verständnis gehört schließlich in die Läufersprechstunde.


Alle zwei Monate behandelt der bekannte Internist und Laufexperte Dr. Matthias Marqardt in seiner „Sprechstunde“ im Laufen-Magazin kontroverse Themen des Laufsports, die ihm im Alltag in der eigenen Praxis in Hannover immer wieder begegnen.

 

https://www.laufen.de



Download
Sprechstunde auf laufen.de – 01/02 2019
20191-2_Sprechstunde-laufen-de.jpg
JPG Bild 557.6 KB