Jetzt aber! Saisonauftakt im Labor

Dr. Matthias Marquardt - Blog - Training

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Jetzt aber! Saisonauftakt im Labor

Neues Jahr, neues Glück. Das gilt auch und ganz besonders im Ausdauerdreikampf. Natürlich ist der Gedanke, dass im nächsten Jahr alles besser wird, überflüssig und widerspricht jeder Empirie.



Gleichwohl ist aber, und das kann man auf jeder alkohol- und gefühlsvernebelten Silvesterparty im Vereinsheim nachvollziehen, eben dieser Glaube an die nun kurz bevorstehende Leistungseruption (nach zwölf Jahren Stagnation und Rückgang im Wechsel), unausrottbar.

 

Der Triathlongott hat es gut mit uns gemeint. Was wäre das für ein dämliches Organ von Gehirn, wenn man nicht immer wieder mal – nur ganz kurz – davon träumen könnte, dass man sich so eine Pace von 3:15 min/km, oder 1:10 min/100 m im Wasser eigentlich – so rein technisch und vom Lungenvolumen her – auch bei sich selbst super gut vorstellen könnte. Derart größenwahnsinnige Gedanken, die leider nicht jeder Dreikämpfer für sich behält, sind der Nährboden für völlig hanebüchene Trainingsziele, die bei Licht betrachtet an den massiven Missbrauch von bewusstseinserweiternden Substanzen denken lassen.

 

Die Leitungsdiagnostik im Frühjahr vor dem Trainingslager, für das bescheidene 1.500 km Rad und (lockere!) 140 Laufkilometer in zwei Wochen angesetzt wurden, soll dann eigentlich nur noch bestätigen, dass der 32er-Schnitt auf dem Rad lockerster, also allerlockerster, Fettstoffwechsel ist. Und während man im letzten Jahr im Stufentest auf dem Laufband bei 14 km/h nach 1:40 min in den Sack gehauen hat, sollen es diesmal drei weitere Stufen werden. „Die 20 km/h lauf ich diesmal durch. Ich hab im Winter gut trainiert“, heißt es noch beim Anlegen der EKG-Kabel.

 

Dieser Wahn hält bei 12 km/h noch an. Zwar liegt der Puls bereits bei 171. Auf Nachfrage ist aber: „Alles locker!“ Nun ist aber Milchsäure ein gnadenloses Stoffwechselprodukt und lässt den Sportler bei 14 km/h ganz plötzlich erkennen, dass er auch 2017 noch immer über dieselben Straßen geht. Oder läuft. Au Backe, wird das jetzt hart. Kurz das Ziel korrigieren. Laufe ich halt die 16 km/h durch. Wäre doch auch schon gut. Es wird immer zäher. „Wie lange noch?“ dröhnt es wie Darth Vader unter der Maske knapp hervor. „Du hast jetzt 1:10 min auf 14 km/h“. Verdammte Scheiße. Fühlt sich an wie 8 Minuten. Nächste Korrektur: die Vorjahresleistung knacken. Das Ende vom Lied: Unter Brüllen des Arztes und einem freundlichen „Sieht super aus!“ der Arzthelferin wird dann mit Ach und Krach die 1:50 min auf 14 km/h erreicht.

 

Das tut weh. Zwei Energiegels später kriegt sich aber eigentlich jeder Sportler wieder ein. Vielleicht wird es doch keine 3:15er-Pace auf der Laufstrecke, aber krachen wird es trotzdem in dieser Saison. Und zwar richtig! Und so rennen wir wieder – wie jedes Jahr – unser eigenes Rennen. Gegen zu viel Pizza und zu wenig Talent. Aber die Hoffnung auf die ganz große Tat stirbt nie, denn irgendwann kommt er: der Altersklassenwechsel!

 

Ihr Dr. Matthias Marquardt

 

MEIN TIPP:

Stecken Sie sich die Ziele für die Saison nicht zu hoch. Die Leistungsdiagnostik zeigt jedes Jahr aufs Neue: Leistungssteigerung kommt in kleinen Schritten!


Einmal im Monat schreibt der bekannte Internist und Laufexperte Dr. Matthias Marqardt im Triathlon-Magazin eine Kolumne zu kontroversen Themen des Laufsports.

 

 www.tri-mag.de



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Marquardts Meinung -- Jetzt aber! Saisonauftakt im Labor
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