Durch Rumsitzen wird es auch nicht besser

Dr. Matthias Marquardt - Blog - Verletzungsrisiko

VERLETZUNGSRISIKO

Durch Rumsitzen wird  es auch nicht besser

Eigentlich ist der ambitionierte Sportler bei Ärzten überaus beliebt. Gehört er doch zu den gefühlt immer seltener anzutreffenden Menschen, die sich nicht der Chipstüte und der Cola ergeben haben. 



Und wenn, dann nur nach einer Zehn-Kilometer-Laufrunde, bei Triathleten wahlweise auch nach einem 240-Kilometer-Radtraining, bei Ultraläufern auch nach einem 60-Kilometer-Lauf mit Trinkrucksack. Und ja, es erfrischt die Sprechstunde immens, wenn jemand als erstes fragt: „Wann kann ich wieder trainieren? Und was kann ich tun, damit es mir besser geht?“ Im Prinzip könnten sich Ärzte dem eigenartigen Werbetrend folgend ein Schild mit „Wir lieben Triathleten“ an ihre Praxistür schrauben.

 

Nun kommt der Triathlet aber seltener mit schweren Infekten, viel öfter aufgrund von orthopädischen Verletzungen. Wir kennen das alle: Kaum läuft die Saison an, zwickt die Schulter und bei der Herbstmarathon-Vorbereitung dann auch noch die Achillessehne. Quarkwickel, Ackerschachtelhalm, Einlagen und Vitamintabletten, dosiert in einer Höhe, auf die auch Elefanten und Walrösser ansprechen würden. Und nix hilft. Was bleibt? Ab zum Arzt.

 

Aber spätestens bei chronischen Sehnen- und Gelenkbeschwerden, wenn Schmerztabletten, Tape-Verbände, Reizstrom-, Laser- und Physiotherapie nicht geholfen haben, kann die Arzt-Patienten-Beziehung empfindlich gestört werden. Das geht mit nur einem kleinem Wort. Pause. Nix Training.

P-A-U-S-E.

 

Das P-Wort löst bei Triathleten Schnappatmung und rote Flecken am Hals aus. Gefolgt von einer Aufzählung der zwölf fest geplanten Wettkämpfe in den nächsten elf Wochen, die die Pause leider, leider unmöglich machen.

 

Da gibt’s dann – professionelle Gesprächsführung hin oder her – auch mal Emotionen auf der anderen Seite. Ihr Arzt fragt sich: Müssen diese Sportler denn immer wieder gegen dieselbe Wand laufen? Training, Verletzung. Training, Verletzung. Die sind ja alle süchtig! Schlimmer als Zigarettenrauchen, dieser Sport. Manno mann. „Jetzt machen Sie halt mal eine lange Pause!“ heißt es dann, während der Arzt sein „Wir lieben Triathleten“-Schild in Gedanken schnell wieder abschraubt.

 

Sportler wollen aber einfach nicht verstehen, warum Sie bei Beschwerden an der Achillessehne, die seit 18 Monaten bestehen und die bei geringen Trainingsumfang weniger und bei höherem Trainingsumfang etwas stärker werden, plötzlich drei Monate gar nichts tun sollen. Und ganz unrecht haben sie mit der Vermutung auch nicht. „Durch’s Rumsitzen wird’s nicht besser“ lautet die Marschrichtung. Nach drei Monaten Nichtstun hat sich an der Ursache eines chronischen Sehnenleiden nämlich selten etwas geändert.

 

Ich diskutiere deshalb lieber über die Menge des Trainings und den eigentlichen Therapieplan. Denn der ist entscheidend. Was muss ich verändern, um künftig schmerzfrei zu trainieren? Das ist Balsam für die triathletische Seele und das P-Wort entfällt. Leider aber auch die zwölf Wettkämpfe in elf Wochen. Denn immer wieder gegen dieselbe Wand zu rennen, ergibt nun wirklich keinen Sinn. Nicht mal für Triathleten!

 

Ihr Dr. Matthias Marquardt

 

MEIN TIPP:

Viele chronische Sportverletzungen – insbesondere Überlastungen der Sehnen – werden durch das Pausieren nicht besser. Stattdessen ist eine Ursachensuche wichtig, um tatsächliche Heilung herbeizuführen.


Einmal im Monat schreibt der bekannte Internist und Laufexperte Dr. Matthias Marqardt im Triathlon-Magazin eine Kolumne zu kontroversen Themen des Laufsports.

 

 www.tri-mag.de



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Marquardts Meinung -- Durch Rumsitzen wird es auch nicht besser
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