Heldengeschichten
Euer Lauf. Eure Geschichte.
Dr. Matthias Marquardt - Heldengeschichten

Sören Lehmann

MARQUARDT RUNNING-Heldengeschichten

Am Sonntag war es nun also auch für mich soweit – das sportliche Highlight und zugleich der Saison-Abschluss stand für mich an. Das Netz glühte ja förmlich vor diesem #berlinmarathon2015.

 

Mein Ziel war der Sub3 Marathon (intensity-Plan). Der 16 Wochen-Plan war dafür logisch und ausreichend fordernd strukturiert. Allerdings muss ich gestehen, dass ich aufgrund der längeren Triathlon-Phase in der ersten Saisonhälfte (inklusive kleinem Motivationsloch danach) nicht 100 Prozent des Plans umgesetzt habe. Teilweise konnte oder wollte ich die vorgegebenen Trainingsziele nicht einhalten. Dennoch half er mir definitiv als eine Art imaginärer Coach, dran zu bleiben. Gerade weil es zwischenzeitlich mit der Motivation nicht wirklich stabil lief. Kurzum: Die Sub3 habe ich nicht geschafft. Doch hey?!? Es gibt keinen Grund, sich wegen ein paar Zahlen bzw. gesetzten Zeitlimits nicht über diesen Tag zu freuen. Denn wie erwartet war der Berlin Marathon wieder einmal bombastisch.

 

Persönlicher Rennverlauf: Mit 3 Stunden geliebäugelt – und…??

Wenn es so etwas wie eine sichtbare Gefühlsstatus-Leiste über dem Kopf gäbe, würde sie bei mir „zufrieden und geschafft“ anzeigen. Ja, so trifft es meinen Gemütszustand zwar recht unspektakulär, dafür treffend. Mit dem gestrigen Tag und meiner Leistung bin ich echt zufrieden. Ohne viel TamTam und Ausreden: Für die magische 3 Stunden-Grenze hat es nicht gereicht. Dabei sah es zwischenzeitlich ziemlich gut aus.

 

Bis zur Halbmarathondistanz war ich im Soll. Ich fühlte mich gut. Die Beine waren locker. Im Prinzip wusste ich schon vorher, dass die „Pumpe“ nicht das Problem werden würde. Wenn, dann könnte es nach der Hälfte muskulär schwierig werden. So kam es! Als ich bei Kilometer 25 auf mein „Pace-Band“ am Arm schaute, war ich plötzlich 2 Minuten hinter der nötigen Zwischenzeit. Bei km 30 waren es 3 Minuten und bei km 35 sogar schon 6 Minuten. Die Beine wurden immer schwerer. Insgeheim wusste ich es ja schon: Für dieses ambitionierte Ziel habe ich schlichtweg zu wenig marathonspezifisch trainiert. Keine langen Läufe über 25 Kilometer. Generell zu wenig Laufkilometer gesammelt. So ist das halt! Marathon ist halt kein Filter-Kaffee to go. Eher ein Cafè crema aus frisch gemahlenem Arabica-Bohnen. Richtig genießen lässt er sich nur, wenn er entsprechend professionell gemacht ist.

 

Also hieß es auf der zweiten Hälfte beißen! Mit der nun nicht mehr zu erreichenden 3 Stunden-Marke hatte ich mich schnell abgefunden. Es wäre auch sinnlos gewesen, sich diesen großartigen Tag von ein paar Zahlen versauen zu lassen.

 

That’s life! Also fokussierte ich mich einfach darauf, genügend Wasser an den Verpflegungsstellen zu mir zu nehmen und die Stimmung aufzusaugen. Seht ihr – das hätte ich fast vergessen. Natürlich darf man neben vielen freundlichen Helfern nicht die tollen Musikgruppen und Vereine vergessen, die wohl mindestens eine ebenwürdige Leistung erbracht haben. Insofern gab's abseits der Strecke einen Musikmarathon zu bestaunen, bei dem wohl so manche professionell organisierten Musikevents alt ausgesehen hätten. Chapeau auch dafür!

 

Herzschlagfinale unterm Brandenburger Tor

Beim Marathon gibt es immer den Moment, wenn es anfängt, zu schmerzen. Wenn man Probleme hat, das Tempo zu halten. Vielleicht, weil man über seinem Limit rennt. Vielleicht, weil der Fuß oder die Wade aufmuckt. Fast kein Läufer hat das Glück, die 42 Kilometer in einem stetigen Fluss von Glücksgefühlen und Freude zu durchlaufen. ABER! Und dieses „aber“ ist ein großes! Wenn man erst einmal über die 40-Kilometer Marke gerannt ist und die Zuschauerjubel immer lauter werden … Das Grölen einen urplötzlich doch noch einmal nach vorne pusht … Ja, dann ist es ein SELBSTLÄUFER. Spätestens auf der laaaangen Zielgeraden haut es einen aus den Socken (oder wie beim Sieger aus den Sohlen :D).

Jeder, wirklich JEDER, der die letzten Meter hindurch unterm Brandenburger Tor bis zur finalen 200 Meter Gasse packt, wird gebührend und absolut bombastisch von der Zuschauermenge und den Kommentaren abgefeiert. Völlig egal, ob man Eliud Kipchoge, Anna Hahner oder Max Musterman heißt: JEDER ist ein Gewinner. Und genau so darf sich jeder fühlen. Überzogener Zielsprint? Protziges Posen? Ausgelassen ins Ziel tanzen? – ABER BITTE DOCH! Hauptsache die Sekunden genießen, wofür man so lange kämpfen musste.

 

Bei mir stoppte die Zeit letzlich bei 3:08:21. Mensch, ist das klasse! Meine vorjährige Premierenzeit konnte ich um 14 Minuten verbessern. Was will ich eigentlich mehr?!? Ohne Krämpfe und größere Schmerzen konnte ich zufrieden aber völlig geschafft durch die Finisherzone laufen. Diese Phase ist mindestens genauso super, erwähnt wird sie allerdings gänzlich nie. Wohl deshalb weil es eher so ein Ding zwischen den Läufern unter sich ist.

Was ich meine? Stellt euch vor, da gehen (oder humpeln) so viele Menschen mit einem Seite an Seite – ausgelaugt und noch überwältigt vom gerade Erlebten … Fast jeder hat dieses leichte Lächeln auf den Lippen. Und wenn es doch eher ein schmerzverzerrtes Gesicht ist, kommt das erfüllte Grinsen spätestens in dem Moment des gegenseitigen Anblickens. Als wenn man dem Gegenüber sagen will: „Ja man, ich weiß … Geiles Ding! Ich hab auch richtig gekämpft! Wir waren klasse“. Ausgedrückt als unterschwelliges Lächeln bzw. verkapptes Grinsen. Sehr cooles Feeling diese Sekunden und Minuten nach dem Zieleinlauf!

 

Was mir also bleibt, ist ein unvergesslicher Tag, dessen Erlebnisse wegen der vielen kleinen Eindrücke auf und abseits der Strecke nachhaltig bleiben werden.